Das Evangelium leben

Auf Franziskus hinweisend lautet der erste Satz der Regel der hl. Klara: "Die Lebensweise des Ordens der Armen Schwestern ist diese: Unseres Herrn Jesus Christus heiliges Evangelium zu beobachten durch ein Leben in Gehorsam, ohne Eigentum und in Keuschheit." (Reg.1,1+2)  Das ist das Erste und Eigentliche was Klara will: Jesus nachfolgen. In ihren Briefen wird sie immer wieder auf sein heiliges Leben und Wirken hinweisen. Er ist der, an dem sie ihr Leben misst. Ihren Schwestern schreibt sie in ihrem Testament: "Der Sohn Gottes ist uns Weg geworden."  (Test 5) Von klein auf durch die Mutter religiös geformt, war Klara begeistert von der Art des Franziskus, das Evangelium zu leben. Mit einer eigenen Regel, der ersten einer Frau für Frauen in der Kirchengeschichte, versucht sie, dieser Lebensweise eine frauliche Prägung zu geben.

Klarianische Spiritualität heute:

Sich auf das Evangelium einlassen, seinen Geist atmen und aus ihm leben in Liebe und Hingabe an Gott und die Menschen.

Gottes Schöpfung lieben und loben

Klara sieht sich und alle Menschen als gewollte, geliebte Geschöpfe Gottes, für die sie Gott lobt und dankt. Auch ihre Schwestern hält sie zum beständigen Lob Gottes an, wenn sie seine Schöpfung sehen. So ermahnt Klara die Außendienstschwestern: "...Gott zu loben, wenn sie schöne Bäume und ihre Blüten und Blätter sähen; und ähnlich, wenn sie Menschen und die anderen Geschöpfe sähen…" (ProKl 14,9)

Ihr ganzes Leben ist als Geschenk des Dankes an ihren Schöpfer und an Jesus Christus, ihren Erlöser zu verstehen. Am Ende ihres Lebens sagt sie, sterbend, zu ihrer Seele: "Geh sicher in Frieden, denn du wirst ein gutes Geleit haben; denn der dich erschaffen hat, hat dich zuerst geheiligt, und nachdem er dich erschaffen hat, hat der dir den Heiligen Geist gesandt und dich immer beschützt, wie die Mutter ihr Kind, das sie liebt. Du, Herr sei gepriesen, der du mich erschaffen hast." (ProKl 3,20). Aus dem Bewusstsein des Geliebt Werdens durch ihren Herrn und Schöpfer ist sie fähig, auch ihre Mitmenschen, ja die ganze Schöpfung dankbar anzunehmen und respektvoll mit ihr umzugehen. Die Erfahrung der göttlichen Liebe gibt Klara auch die unumstößliche Würde und das Selbstvertrauen, für ihr Leben in Armut gegen die Widerstände von kirchlicher Seite zu kämpfen.

Klarianische Spiritualität heute:

Sich bewusst werden, wer und was im Leben alles geschenkt und durch Gnade von Gott empfangen wurde, und Ihm dafrü danken, damit der Mensch vor Gott zum Empfangenden und vor den Menschen zum liebevoll Gebenden werden Gebenden werden kann.

Arbeit als Dank

Auch wenn Klara und ihre Schwestern von Almosen lebten, so war die Arbeit doch fester Bestandteil des täglichen Lebens im Kloster. Klara erachtete Arbeit als sinnvoll und nützlich, nicht nur weil Haus und Garten sauber zu halten waren, sondern weil sie der Seele gut tut und, wie es in ihrer Regel heißt den Feind der Seele, nämlich den Müßiggang ausschließt. Das Ergebnis der vornehmlich Handarbeit solle dann im Kapitel an die Schwestern verteilt werden (KlReg 7). Klara selbst hat es ihren Schwestern vorgelebt. Selbst in der Phase ihrer schweren Erkrankung, die sie ans Bett fesselte, ließ sie es sich nicht nehmen, wenigstens im  Bett sitzend Stoffe zu weben. Diese ließ sie zu Korporalien verarbeiten und an fast alle Kirchen in der Umgebung Assisis verschicken (vgl. ProKl 1,11). In gesunden Tagen war sie sich für Putzarbeiten und den Pflegedienst an kranken Schwestern nicht zu schade.
Klara macht ihre Arbeit zum Geschenk, will Freude bereiten, Leiden lindern. Hier ist Arbeit kein reiner Selbstzweck, sondern in erster Linie Dank an Gott. Indem sie für andere arbeitet und zwar ohne Gegenleistung jeglicher Art zu erwarten, sondern die Ergebnisse ihrer Handarbeit verschenkt, Segen erteilt, Menschen ihre Zeit schenkt, macht sie durch ihren Respekt dem  Anderen gegenüber Gottes Schöpfung sichtbar und dankt dafür. Alle Geschöpfe sind von Gott geschaffen und somit mit größtem Respekt und voll Dankbarkeit zu behandeln.

Klarianische Spiritualität heute:

Arbeit als Möglichkeit betrachten anderen Menschen Gutes zu tun, ohne darauf zu achten was ich dafür bekomme, ihnen damit die Wertschätzung entgegenbringen, die ihnen aufgrund ihrer Einmaligkeit in der Schöpfung zukommt, Arbeit als Mittel zum Danken betrachten.

Leben in Keuschheit

Mit dem Leben in Ehelosigkeit und Jungfräulichkeit gibt sich Klara die Freiheit, über ihr selbst gewähltes Ideal, nämlich das Leben mit Christus in vollkommener Armut, frei zu entscheiden und dieses zu verwirklichen. Sie möchte Christus ganz zugehören, ihm nachfolgen. So entzieht sie sich den Verheiratungsplänen ihrer Familie bewusst, um sich ihren Bräutigam selber zu suchen, Jesus Christus, der für sie allen irdischen Männern überlegen ist (Kreidler-Kos, "Klara von Assisi"). Dabei wählt sie ihren ganz eigenen Weg, ihre ganz eigene Lebensform, um ihrer Christuszugehörigkeit Ausdruck zu verleihen. Mit ihrer Jungfräulichkeit stellt sie ihren Körper Christus zur Verfügung, damit er in ihr geistig heranwachsen kann, so wie er in seiner Mutter Maria körperlich heranwachsen konnte. Durch ihre sexuelle Unverfügbarkeit macht sich Klara ganz offen und verfügbar für das Wachsen und Gedeihen der geistigen Frucht in ihr, Jesus Christus. Dabei dient ihr die Armut als Mittel, sich soweit wie möglich, von allen Versuchungen fern zu halten und damit rein zu bleiben und so der Reinheit Christi nahe zu kommen. Diese Verknüpfung von Jungfräulichkeit und Armut stellt Klara’s Lebensform dar.

Klarianische Spiritualität heute:

Wo bin ich in meinem Leben zu sehr verfügbar? Wo lasse ich mich zu sehr vereinnahmen? Ist es zum Beispiel nötig, ständig das Handy in Betrieb zu haben? Stehe ich mit meinem Leben Gott zur Verfügung, schenke ich ihm regelmäßig meine Zeit, so dass er mit mir sein kann, mich heilen und auf den rechten Weg führen kann? Lasse ich mich vom Herrn zu einem Leben aus seiner Liebe heraus verführen?
In unserer Zeit des sexuellen Tabubruchs, der verbunden ist mit der Entwertung des Menschen und seiner gottgewollten Sexualität, kann Enthaltsamkeit auch bei nicht zölibatär Lebenden ein Türöffner sein für das wirklich Wichtige im menschlichen Leben, Gott.

Leben in Klausur

Klara hat, so M. Kreidler-Kos, die alte monastische Form der Klausur als Lebensform für Frauen akzeptiert, diese aber mit dem Ideal der Armutsbewegung zu einer neuen Lebensform verbunden. Dabei hat sie das Leben hinter Klostermauern nicht weltfremd gemacht. Ihre Briefe an Agnes von Prag, die Heilungsgeschichten von Menschen aus der Umgebung Assisis und anderswo, der Kontakt zu ihren Mitbrüdern (den Franziskanern), Briefe an verschiedene Amtsinhaber der Kirche, belegen ihre reichhaltigen Kontakte, die sie an der Außenwelt teilnehmen ließen. Die Klausur ermöglichte Klara, ihr Leben ganz auf Gott auszurichten. Sie verschaffte ihr die Freiheit, ihr ganzes Leben Gott zu schenken. In dieser Freiheit fand sie, nachdem sie all ihren Besitz verkauft und unter den Armen Assisis verteilt hatte, ihren ganzen Reichtum, nämlich ganz in der Liebe Christi aufgehen zu können. Die Klausur ist also ein Rückzugsraum, in dem sich der Mensch ganz auf Gott einlassen kann. Diese Möglichkeit des Rückzuges aus der Umtriebigkeit der Gesellschaft macht den Menschen frei, den Blick auf das wirklich Wichtige  und Wesentliche im Leben zu richten. In diesem Raum kann die Beziehung zu Gott wachsen, werden Leib und Seele und alle Sinne geschult zu sehen, zu hören, zu riechen, zu schmecken, zu tasten, weil die Gefahr der Ablenkung kleiner wird.

Klarianische Spiritualität heute:

In all dem Lärm der schon fast zwanghaften ständigen Umtriebigkeit dieser Welt kann Klausur im weltlichen Leben bedeuten, sich bewusst einmal am Tag für eine Zeit in die Stille und Ruhe zu begeben, um mit Gott wieder in Berührung zu kommen, denn Gott spricht nur in der Stille.

„Nackt dem nackten Christus folgen.“

Für Klara war das Leben in selbst gewählter Armut der einzige Weg, Christus nachzufolgen. "Nackt dem nackten Christus folgen.", das ist auch heute noch die Maxime aller franziskanisch-klarianischen Gemeinschaften. Christus hat sich selbst als Sohn Gottes mit seiner Menschwerdung in die Armut menschlicher Existenz begeben, hat diese in all ihren Facetten durchlebt und schließlich alle Menschen durch seinen schmählichen Tod am Kreuz erlöst. Durch ihre Liebe zur Armut hat Klara mit Jesus Christus den wahren Reichtum in ihrem Leben gefunden. Dabei ist hier nicht nur die körperliche Armut gemeint, sondern auch die geistige. Klara hat erkannt, dass ihre Schwächen und Fehler sie an der Beziehung zu Gott hindern. Sie macht sich arm vor Gott, indem sie ihre Unvollkommenheit anerkennt und sie dem Herrn hinhält, damit er sie davon heile. So ist die materielle Armut sozusagen das Tuch, das den Spiegel der Gottes- und der Selbsterkenntnis, der Jesus Christus ist, immer wieder sauberzuwischen vermag, so dass sich der Mensch darin ungestört betrachten kann und sich Gott hinhalten kann.
Zum anderen hat sich Klara durch ihr eigenes beschwerliches, karges Leben im Kloster mit den Armen ihrer Zeit solidarisiert, deren Armut eben nicht frei gewählt war, sondern in die sie meist hineingeboren wurden. Somit hat sie durch ihr Leben auch auf Missstände ihrer Zeit aufmerksam gemacht. In einer Zeit, in der sich viele mit möglichst vielen Privilegien in der Kirche absichern wollten, bestand Klara auf ein einziges Privileg, nämlich mitsamt ihrer Gemeinschaft arm sein zu dürfen, also weder persönliches, noch gemeinschaftliches Eigentum besitzen zu müssen, ein Privileg, das heute noch gilt.
Die selbstgewählte Armut ist trotz aller Anstrengung nicht wirklich vergleichbar mit der Armut der ins Elend hineingeborenen Menschen. Aber die selbstgewählte Armut hilft, sich in die Lage armer Menschen besser hinein zu versetzen.

Klarianische Spiritualität heute:

Sich fragen, ob ich wirklich all die Dinge brauche, die mein Herz begehrt, oder ob meine Sehnsüchte und Sinnfragen nicht ganz woanders beziehungsweise von jemand anderem beantwortet werden müssten; bin ich noch in Beziehung zu Gott, oder verdecken andere, vermeintlich wichtige Dinge die nötige Beziehungspflege?  Welche Verhaltensweisen an mir verstellen mir den Weg zu Gott und zu meinen Mitmenschen? Traue ich mich, sie Christus hinzuhalten?

Das Ohr an Ihm haben

Klara war zu dem geworden, was ihr Leben ausmachte: zum Gebet. Ihr Biograph Celano schreibt: "Nachdem jedoch die anderen Schwestern daran gingen, ihre müden Glieder auf hartem Lager neu zu stärken, harrte sie selbst, stets wachsam und unerschütterlich im Gebete aus, damit sie heimlich  den Inhalt des göttlichen Flüsterns erlausche." (Cel. 19). Klaras Gebet war Liebe, und wie kann Liebe tiefer zum Ausdruck gebracht werden, als in der hin-hörenden Hingabe. Sicher finden wir bei Klara auch das bittende, das für-bittende Gebet und ganz besonders Lobpreis und Dank, nahm sie doch alles hinein in das Glühen ihrer Liebe, aber das Wesen, das Innerste ihres Betens, war die vorbehaltlose, lauschende Hingabe. Und ihre liebste Zeit scheint die Nacht zu sein. Klara wusste wohl noch etwas von der Faszination der Nacht. Niemals sonst ist ja die Stille so spürbar und zu keiner anderen Zeit Gottes so hörbar voll. Klara war ihrem Gott bis an die Grenze, die das Geschöpf-Sein uns Menschen setzt, entgegengegangen, sich unterwegs von allem Ballast befreiend, nur mit sich selbst in ihren leeren Händen. Und sie wird gerungen haben mit ihrem Gott, darauf lassen die immer wieder auftauchenden Hinweise auf so zahlreich fließende Tränen schließen.

Klarianische Spiritualität heute:

Den Mut zu haben, sich hinzusetzten und Gott auszusetzten, sich hörend hinzugeben. Das Schweigen aushalten, das eigene und Gottes Schweigen. Bis an die eigene Grenze zu gehen und Gott wirken zu lassen. Den Weg der Gottsuche und der Hingabe zu gehen. Alle und alles mit hinein zu nehmen in diese Suchbewegung, die das tiefe Heimweh nach Gott in sich trägt.

Einander die Lasten tragen

Klara schreibt in ihrem Testament: "Ihr sollt einander aus der Liebe Christi lieben, und die Liebe, die ihr im Innern habt, nach außen im Werk zeigen" (Test 59). Und in der Regel: "Vertrauensvoll soll einer der andern ihre Not offenbaren. Und wenn schon eine Mutter ihre leibliche Tochter liebt und nährt, mit wie viel größerer Liebe muss eine Schwester ihre geistliche Schwester lieben und nähren" (Reg VIII, 15/16). Und: "Immer sollen sie besorgt sein, untereinander die Einigkeit der gegenseitigen Liebe zu bewahren, die das Band der Vollkommenheit ist" (Reg X 7). Und: "Die Schwester aber (die etwas geschenkt bekommt) soll es gebrauchen können, wenn sie dessen bedarf; andernfalls lasse sie es in Liebe einer bedürftigen Schwester zukommen" (Reg VIII, 10).
Diese Auszüge aus Regel und Testament der hl. Klara zeigen, wie tief sie im Geist des Evangeliums verwurzelt ist. Ihre Liebe zur Schwester nährt sich aus der Liebe zum lebendigen Gott. Gottes- und Nächstenliebe bilden bei Klara eine tiefe Einheit. Ihr Ganz-Ohr sein gilt beiden, Gott und Mensch, in beiden feiert sie ständig Begegnung. Ihre tiefe Gottesbeziehung macht geradezu den Blick frei für die alltäglichen Begebenheiten, in denen ihr Gott in anderer Gestalt begegnet, in der konkret leidenden, traurigen, frierenden Schwester. Klaras Leben bleibt ausgestreckt zwischen diesen beiden Polen: Gott und Mensch, oben und unten. Kontemplation und Aktion waren für sie keine Gegensätze. Und das erwartet sie auch von ihren Schwestern, dass der Blick auf Gott den Blick frei macht auf die konkrete Schwester, die leidet, trauert, oder einfach etwas nötig hat. Klara nimmt jede einzelne Schwester mit hinein in die Verantwortung für das Leben in liebender Gemeinschaft.
Nicht nur die Äbtissin, sondern jede einzelne Schwester muss die Augen offen halten für die Not der anderen, ja, für die Not der Welt, die man Klara und ihren Schwestern schon damals in die Klausur trug.

Klarianische Spiritualität heute:

Es geht um ein Leben der liebevollen Achtsamkeit, Gott und den Menschen gegenüber. Ein Sprichwort sagt: "Was man liebt das pflegt man, was man nicht pflegt das liebt man  nicht." Das gilt für die Beziehung zu Gott und zu den Menschen, es muss auch unser Handeln bestimmen in liebevoller Zuwendung zu unserem Nächsten.

Dienen wollen

Bei allem Gehorsam, den auch die hl. Klara von ihren Schwestern für sich und ihre Nachfolgerinnen erwartet, stellt sie doch klar, wie eine solche Äbtissin auszusehen hat, will sie mit Fug und Recht Gehorsam einfordern. "Die Äbtissin aber soll den Schwestern mit großer Herzlichkeit begegnen, dass sie mit ihr reden und sich verhalten können wie Herrinnen mit ihrer Magd. Denn so soll es sein, dass die Äbtissin die Magd der Schwestern ist."  (Reg 10,4/5. Da spürt man das Evangelium zutiefst durch, die Umkehrung aller Dinge. Auch betont Klara in Regel (Reg IV, 9) und Testament (Test 62), dass die Äbtissin so ihr eigenes Leben in der Nachfolge Jesu gestalten soll, dass die Schwestern ihr nicht so sehr wegen ihres Amtes, sondern aus Liebe gehorchen. Emotionale Zuneigung ist für Klara kein Hindernis, sondern kann eine große Hilfe sein da, wo ein religiös und menschlich reifer Mensch die Gemeinschaft führt. Sorge und Fürsorge sind die großen Aufgaben des Amtes, leiblich, geistig und seelisch. Bei Klara manifestiert sich das buchstäblich im Dienst der Fußwaschung, den sie ihren von draußen heimkehrenden Schwestern schenkt, wie auch in ihrer unablässigen Sorge um kranke und bedürftige Schwestern.

Klarianische Spiritualität heute:

Das, was uns aufgetragen ist an Verantwortung und Aufgabe als wirklichen Dienst an den Anderen verstehen. Sie nicht beherrschen zu wollen, sondern sie in ihrer Würde wahrnehmen, sie als Brüder und Schwestern zu achten und zu ehren, die das Antlitz Gottes tragen.

Zum Gehorsam angenommen sein

Wie bei Franziskus so werden auch bei Klara die Schwestern in der Profess zum Gehorsam angenommen, ein Gehorsam, der das Leben und die Weise unserer Armut betrifft. Wie Klara ihr Ohr immer an Gott hatte, so umfasst ihr Hinhören auch die einzelne Schwester, ja jede Lebenssituation. Es ist ihr wichtig, dass alle Schwestern wichtige Dinge mitentscheiden, und es braucht ein wirkliches ernst nehmen der einzelnen Schwester, wenn ich damit rechne, dass Gottes Wille sich oft durch die Geringste kundtut, durch die Schwester also, die sich vielleicht im Denken schwer tut, die nur einfache Arbeiten verrichten kann, oder einfach noch sehr jung ist.  Das erfordert immer und vor allem die Bereitschaft, den eigenen Willen nicht zu wichtig zu nehmen und für das, was besser ist, wirklich offen zu sein. Es geht immer um das gemeinsame Hinhören auf Gott hin, um seinen Willen für hier und heute zu erkennen, es geht immer um den Dienst miteinander und aneinander.

Klarianische Spiritualität heute:

Hörende werden offen sein für die verschiedenen Denkansätze. Gottes Willen für das eigene Leben erspüren und zu verwirklichen suchen. Achtung vor der Meinung und Überzeugung der anderen.

Hört, kleine Arme

So beginnt Franziskus sein Mahnlied an  Klara und ihre Schwestern und in diesem bittet er sie besonders: "Jene, die von Krankheit beschwert sind, und die anderen, die für sie müde geworden sind, ihr alle, ertragt es in Frieden, damit euch diese Mühsal um vieles wertvoller werde. Denn jede wird Königin sein im Himmel." (MahnKlara) Krankheit und Alter, sie führen uns an unsere existentiellen Grenzen, sie sind der Ernstfall der Armut. Diese Grenzerfahrung braucht all unsere Kraft und das weiß Klara und darum sollen diese Schwestern alle Pflege und alle Fürsorge erhalten: Polster und Decken und Gespräche und niemals fasten. Dann ist man ja schon ganz arm, ganz entblößt und darum Gott ganz nah, der für uns nackt am Kreuz starb. Da brauchen wir uns selbst nicht mehr mühen, sondern nur noch geschehen lassen, dann tut Gott. Und er hebt auf und erhöht: "Und eine jede wird Königin sein."

Klarianische Spiritualität heute:

Sich in einem guten Sinn zum Maßstab nehmen. "Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihr ihnen!" , sagt Jesus, sagen Franziskus und Klara. Und alle Liebe in die Fürsorge legen.  Und Grenzen ertasten im Ertragen eigener Schwere und Müdewerden für andere.

Umkehr zum Leben

Klara hat durch ihre Entscheidung wie Franziskus ein Leben in Armut zu führen ihr ganzes bisheriges Leben auf den Kopf gestellt. Aus einem betuchten Edelfräulein ist eine arme Magd Christi geworden. All die Annehmlichkeiten des adeligen Lebens tauscht sie freudig gegen die Härte der Armut ein. Warum tut sie das? Weil sie den wieder liebt, der sie auf seine unnachahmliche Weise so sehr liebt, dass er am Kreuz als Sühne für ihre  (und die aller Menschen) Schuld und Sünde sein Leben gelassen hat, damit sie das ewige Leben haben kann, Jesus Christus. Klara weiß, dass sie ihrem Herrn und Gott ihr Leben verdankt, dass sie erlöst ist mit all ihren Fehlern und Schwächen. Sie weiß aber auch, dass sie immer wieder zu ihm umkehren, sich hinwenden muss zu ihrem Herrn, ihm ihre Schuld und Schwächen eingestehen muss und auch darf, damit sein liebevolles Wirken an ihr Heil bringen kann. Umkehr, Bekehrung bedeutet also die Hinwendung zu einem Leben mit Gott und den Menschen. Klara unterzieht sich daher einer strengen zu der damaligen Zeit üblichen Bußpraxis mit strengem Fasten und dem Tragen auf der Haut scheuernder Bußgewänder. Und sie tut das nicht zähneknirschend, sondern mit Freude, weil sie mit ihrem Herrn mitleiden will, weil sie ihm ähnlich werden will. Für Klara sind das Leben in Armut und Buße Grundhaltungen, "die den Menschen offen und empfänglich machen für die Gaben Gottes, die dieser den Menschen in seiner Gnade schenken will." (Johannes B. Freyer ofm, Klara von Assisi). Bei den Handlungen der Buße, der Askese und dem Fasten geht es daher nicht um die Erbringung einer religiösen Leistung, sondern darum sich für die Begegnung mit Gott ganz zu öffnen.
Bei allen positiven Erfahrungen, die Klara mit ihrem Leben in Armut und Buße macht, verlangt sie eine solch strenge Bußpraxis niemals von ihren Schwestern oder anderen Menschen. Auch die kranken Schwestern sind generell vom Fasten ausgenommen, weil schon das Erdulden und Erleiden ihrer Krankheit sie Christus nahe bringt.

Klarianische Spiritualität heute:

Sich fragen, wo die eigenen Fehler und Schwächen liegen und diese vor den Herrn tragen, sie von ihm betrachten und heilen lassen, sich einen geistlichen Begleiter/ eine geistliche Begleiterin suchen, die einen auf die eigenen blinden Flecken aufmerksam machen, sich fragen, wo ich Dinge und Verhaltensweisen lassen kann, die mich nur festhalten und von Gott fernhalten.

Sr. M. Magdalene Bauer/Sr. Claudia Rommerskirchen OSC